Von Baddy zu Badass: Wie Veränderungen des Make-ups der Andorianer sie zu den coolsten Aliens in Star Trek machte.
Die Andorianer. Wer sie aus TOS kennt, denkt erst einmal an blau zugespachtelte Schauspieler mit weißen Watterprücken und seltsam künstlichen Antennen. Früher fand ich sie eher mittelgeil … vor allem im Vergleich zu Vulkaniern, Romulanern oder Ferengi. Aber im Laufe der Jahre haben die Veränderungen des Make-ups der Andorianer dafür gesorgt, dass ich mich genauer mit ihnen beschäftigt habe.
Spätestens mit Star Trek: Enterprise wurde die blaue Volllackierung gegen hochwertige Latex-Prothesen ersetzt und als ich sie das erste Mal in Star Trek: Discovery sah, war ich hin und weg. Das waren wirklich coole Aliens, großartiges Make-up und ein cooles und stimmiges Make-up-Gesamtkonzept, das sich in die neue Auffassung der Aliens von Discovery perfekt einreihte.
Seitdem ist eine Andorianer-Maske für mich der Heilige Gral und ich habe schon verschiedene Methoden ausprobiert, um die Masken nachzustellen. (Das werde ich übrigens demnächst wieder einmal in Angriff nehmen und hier natürlich dokumentieren.) In diesem Artikel geht es deshalb um die Veränderungen des Make-ups der Andorianer in Star Trek und auch allgemein darum, wie sich die Special-Effects in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben.
Heute so, morgen so: die Andorianer im Wandel der Zeit
Gerade, weil die Andorianer sich so sehr verändert haben, spiegeln sie gut wider, wie sich Special-Effects-Make-up in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Deshalb möchte ich einmal einen genaueren Blick auf die Andorianer werfen und festhalten, was mir dabei aufgefallen ist. Dafür werde ich im Lauf der kommenden Wochen mehrere Artikel veröffentlichen, die sich einer nach dem anderen mit bestimmten Aspekten des Make-ups beschäftigen. In diesem ersten Beitrag gehe ich zuerst einmal auf das Basis-Make-up ein. Oder kurz gesagt: Warum ist Blau nicht gleich Blau?
Die Geburt einer Alien-Spezies
Um die Veränderungen des Make-ups der Andorianer zu verstehen, schaut man sich am besten zuerst einmal an wie die Andorianer und ihr Erscheinungsbild in der ersten Folge definiert wurden, in der sie einen Auftritt hatten:
„Sie sind Humanoide, groß und recht schlank. Wenn irgend möglich, werden die Ohren heruntergespielt (abgeklebt?), aber es gibt zwei zierliche, spitz zulaufende Fühler, die vom Kopf abstehen. Trotz ihrer fast zerbrechlichen Körper sind die Andorianer eine wilde Kriegerrasse … Wegen der empfindlichen Antennen hören Andorianer gewöhnlich mit gesenktem und leicht geneigtem Kopf. Andorianische Stimmen sind auch anders … weich, flüsternd.“
Aus dem Drehbuch zu „Journey to Babel“ („Reise nach Babel“)
Wenn man also die Anweisung im Drehbuch liest, fallen einem gleich drei Dinge auf:
- Sie haben keine sichtbaren Ohren (dazu demnächst mehr, wenn es um die Prosthetik geht)
- Die Fühler waren von Anfang an im Konzept
- Von blauer Haut ist hier noch überhaupt keine Rede.
Warum also blau? Im Internet finde ich nichts Verlässliches dazu. Außer einem Zitat der Autorin der Folge, D. C. Fontana. Sie schloss die Beschreibung im Drehbuch folgendermaßen ab:
„Andorianer sind hellblau. Darum.“
Eine Begründung, mit der sie im Debattierclub sicher nicht gepunktet hätte.
Nun mag man spekulieren, dass die Farbe eingesetzt wurde, weil ihre Heimatwelt, der Mond Andoria, eine Eiswelt ist. Klar, was liegt da näher, als die einheimische Spezies blau zu machen. Außer vielleicht, sie weiß zu machen, weil ihnen das einen evolutionären Vorteil der Tarnung gegeben hätte. Und schließlich laufen Menschen ja auch blau an, wenn sie frieren. Klingt logisch, ist aber vollkommener Unsinn. Damals noch gar nicht festgelegt, dass Andoria eine Eiswelt ist. Oder dass Andorianer von Andoria kommen.
Ihr seht, einen Grund für die blaue Farbe zu finden ist ziemlich spekulativ. Ich würde vermuten, dass es einfach dem Geist der Sechziger entsprang, Aliens eine seltsame Hautfarbe zu verpassen (Orioner seien hier genannt, oder Bele und Lokai von Cheron). Und ein leuchtendes Blau entsprach nun einmal der bunten Weltauffassung der damaligen Zeit. Natürlich sparte man sich damit auch jede Menge komplizierter Prothesen, denn schon Spocks Ohren sprengten damals beinahe das Budget der Serie. Die Frage „Warum ist der Andorianer blau“ rangiert also ungefähr in der gleichen Liga wie „Warum ist die Banane krumm“. Die Antwort bleibt wohl erst einmal: „Darum.“
Wenig Aufwand, große Wirkung
Einer der beiden ersten Andorianer, die wir in Star Trek zu sehen bekommen, ist Botschafter Shras. Seine Hautfarbe ist ziemlich einfach gestaltet. Ein hellblauer Basiston mit einigen dunklen Schattierungen. Vergleicht man Fotos des Schauspielers (Reggie Nalder) mit dem Charakter sieht man, dass wirklich keine Prosthetik zum Einsatz kam und auch das Special-Effect-Make-up quasi nichtexistent ist. Shras ist einfach nur Mr Nalder. Nur eben in Blau.
„Als Make-up für die Andorianer wurde ein Max Factor Aqua Blue Cremestift gewählt, der mit einem etwas tieferen blauen Cremeliner betont wurde, um das Gesicht zu schattieren.“
„Star Trek: Aliens & Artefacts“, S. 49
Der Mann konnte einem also ziemlich leidtun, denn das liest sich, als wäre er unter einer sehr, sehr dicken Schicht Creme versteckt worden.
Für die Schattierungen wurde ein violetter Ton gewählt, mit dem die Augenhöhlen verdunkelt und die Wangenknochen und die Nasenspitze betont wurden. Eine größere Fläche auf den Wangen ließ diese etwas eingefallener wirken und insgesamt unterstrich das das zierliche, zerbrechliche Erscheinungsbild. Der Ausschnitt von Nalders Kostüm war recht tief und gab daher den Blick auf seinen Hals und den Halsansatz frei. Auch hier wurden violette Akzente gesetzt.
Ein Konzept für alle
Das Make-up seines Attachés Thelev (William O’Connell) ist quasi analog dazu gestaltet worden. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es scheint so, als wären die Lippen beider Schauspieler auch mit dem dunkleren Violett geschminkt. Wenn dem so war, hielt die Farbe aber wohl nicht so lang, wenn in vielen der Bildern, die ich von den beiden gesehen habe, ist der Farbton der Lippen vom Grundton der Haut zu unterscheiden. Alles in allem muss man wohl sagen, dass, obwohl die dunkleren Akzente gezielt gesetzt wurden, das Make-up als Ganzes äußerst flächig wirkte, wie ein angemalter Mensch eben.
In „Whom Gods Destroy“ („Wen die Götter zerstören“) sehen wir in der psychiatrischen Einrichtung auf Elba II einen weiteren Andorianer. Hier gab es kaum Veränderungen im Make-up der AndorianerHier blieb sich das Make-up-Department treu. Weiße (eher uninspiriert geschnittene) Perücke, Fühler, alles da. Auch beim Hautton und dem Make-up änderte sich nichts. Weiterhin haben wir einen hellblauen Grundton mit violetten Akzenten, wenngleich es mir erscheint, als wären die dunklen Augenhöhlen hier etwas besser verblendet und ihre Ränder nicht mehr ganz so abgegrenzt wie bei Shras und Thelev. Dennoch sind sie eher grobschlächtig.
Alles nur fürs Fernsehen!
Hält man sich die Qualität der Fernsehgeräte der damaligen Zeit vor Augen, muss man sagen, dass das Make-up sicherlich sehr überzeugend wirkte. Auch, wenn es heute in 4K natürlich bestenfalls retro erscheint, ist es gut aufgetragen und ausgeführt und schien damals sehr exotisch. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Maskenbildner ihr Handwerk damals für oder am Theater lernten. Dort ist es aufgrund des Abstands von Schauspielern zu Publikum notwendig, Schminke überzubetonen. Aber kurz und knackig, was die Andorianer in TOS angeht, kann man sagen: Blaue Haut, weiße Haare, Fühler – das alles schrie „Alien“.
Die Filmära: bessere Effekte, besseres Make-up, bessere Kameras
Mit Star Trek I: der Film gab es vollkommen neue Möglichkeiten, sowohl budgetär als auch Special-FX-Make-up-technisch. Wen wundert es da, dass für den ersten Kinofilm auch Hand an die Aliens gelegt, und es so auch große Veränderungen im Make-up der Andorianer gab. Die Stirn erhielt eine Latex-Prosthetik und auch die Gesichtsfarbe war ausgeklügelter. Es scheint so, als wäre der Hautton etwas mehr in Richtung grün gewählt worden (ganz leicht). Genau kann ich es nicht sagen, da ich im Wesentlichen nur ein Bild von einer Dame beim Make-up-Test gefunden habe. Auf jeden Fall wurde die Schminke viel komplexer schattiert, insbesondere auch, um die Prosthetik hervorzuheben. Insgesamt wirkt der Look nicht mehr so flach, sondern hat vielmehr Tiefe.
Schritt nach vorn und zwei zurück?
Doch die Veränderung des Makeups ging nicht immer nur nach vorn. Von der Prosthetik wich man in Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart und Star Trek V: Am Rande des Universums wieder ab. Im ersteren sehen wir zwei andorianische Sternenflottenoffiziere und in letzteren die Projektion eines vermeintlichen andorianischen Gottes. Der Hautton bei allen drei ist eindeutig dunkler, beim andorianischen Gott geht er fast schon ins Kobaltblaue. Der weitaus ausgereiftere Farbschema hier geht wahrscheinlich mit der Entwicklung der Farben Hand in Hand. Ich würde vermuten, dass hier wasserlösliche Schminke zum Einsatz kamen, die eine viel bessere Abdeckung ermöglicht, ohne ein Gesicht zuzukleistern.
Statt der stark abgesetzten Schattierungen aus TOS wurde bei diesen Andorianern mehr mit dezenteren Nuancen gearbeitet, vermutlich auch mit mehreren Schichten, um dem Make-up mehr Tiefe und Lebendigkeit zu verleihen. Gerade bei dem älteren Commodore mit der hohen Stirn sieht man so die eigentliche Haut- und Porenstruktur des Schauspielers viel besser zum Vorschein kommen.
Das Goldene Zeitalter: Andorianer in Star Trek: Enterprise
Lange blieb es still um die Andorianer (die kurzen Auftritte in TNG lasse ich einmal außen vor). Doch sie kamen mit voller Wucht zurück, das Make-up der Andorianer wurde grundlegend verändert. In Star Trek: Enterprise spielen sie tragende Rolle. Dementsprechend wurden sie auch noch einmal vollkommen redesignt. Die Produzenten der Serie, Rick Berman und Brannon Braga, wollten die Andorianer unbedingt an den Start bringen. Aber moderner und besser.
„Seine [Bragas] Zuversicht, dass das Kreativteam den Andorianern ein ‚cooles‘ Aussehen verleihen konnte, beruhte darauf, dass die Schminktechnik weit fortgeschritten war.“
Star Trek: The Official Starships Collection, Ausgabe 37, S. 10-11
Und in der Tat, so war es. Neben einer komplizierten Stirnprothesen in klassischer Star-Trek-Manier erhielten die Andorianer sogar bewegliche Fühler.
Das ausgereiftere Make-up machte es meiner Meinung nach erst möglich, dass aus den ehemaligen Nebencharakteren nun handlungstragende Akteure werden konnten. Schon auf den ersten Blick sieht man bei ihnen, dass das Make-up ganz anders aufgetragen wurde.
„Wir trugen das Blau in subtilen Schichten auf, um die Haut durchscheinend zu machen, anstatt sie einfach mit blauer Farbe zu überziehen“
Brannon Braga in „Star Trek: Communicator“, Ausgabe 136, S. 37
Grundlage war ein viel helleres, zarteres Blau, das auf eine Grundierung in Hauttönen aufgetragen wurde. Außerdem erhielt es zahlreicher dunklere Schattierungen, die sogar mit Rosatönen durchzogen wurden. Ich vermute, das Rosa wurde auch eingesetzt, um von durchscheinenden Stellen der Originalhaut, beispielsweise an den Augenliedern oder den Lippen, abzulenken.
Auf den Bildern von Jeffrey Combs ist auch gut zu erkennen, dass die einzelnen Schichten als Flecken und Farbspritzer aufgetragen wurden, eine Technik, die gern eingesetzt wird, um undurchsichtigen Latexprothesen das Erscheinungsbild von durchscheinender Haut und mehreren Hautschichten zu geben. Und natürlich lenkt es auch von den Rändern der Prosthetik ab.
Der Höhepunkt: die Andorianer bei Discovery
Die Änderungen des Make-ups der Andorianer haben mich direkt vom Hocker gerissen. Ein triftiger Grund dafür ist definitiv die Art des Make-ups. Sie wirken fremdartig, mysteriös und verdienen den Begriff Aliens – ohne dabei vom üblichen Star-Trek-Look zu sehr abzuweichen.
Die neuen Andorianer haben eine Vielzahl von Silikonprothesen im Gesicht, der ihnen einen ausgereiften, wirklich fremdartigen Look gibt, ohne gleich eine Vollmaske tragen zu müssen.
Im Gegensatz zu Latexprothesen sind Silikonprothesen durchscheinend, was ihnen schon einmal grundsätzlich eine Anmutung gibt, die viel stärker an Haut erinnert. Dies sieht man besonders gut an den Spitzen der Fühler und der Auswüchse im Augenbrauenbereich. Latex ist verglichen damit vollkommen undurchsichtig. Im Video „Becoming a Star Trek: Discovery Andorian“ sieht man sehr schön, wie das Gesamtkunstwerk aufgetragen wird – und welche Anstrengung es vermutlich für alle Beteiligten ist, das durchzustehen. Man sieht in diesem Video auch, dass die Prothesen selbst schon eine Grundfarbe aus verschiedenen Blautönen mit dunkleren Akzenten haben, die Sehnen, Grübchen und Falten hervorheben und so für eine Grundtiefe sorgen.
Darüber werden mehrere Schichten an hellen und dunklen Schattierungen von Hand und mit Airbrush aufgetragen, um den endgültigen Effekt zu erreichen. Besonders, wenn man das zweite Bild von links und das Endresultat vergleicht, sieht man, wie lebendig, tief und echt die Haut aussieht und wie sehr die einzelnen Elemente der Prosthetik durch die Farben hervorgehoben wird. Interessant ist dabei, dass die Farben alle demselben Blauspektrum entstammen. Hier wird nicht mit Violett oder Rosa kontrastiert, sondern mit unterschiedlich helleren und dunkleren Varianten desselben Blautons. Alles immer sehr geschickt, niemals aufdringlich oder übertrieben.
It Ain’t Easy Being Blue
Ich glaube, in diesem Artikel sieht man sehr schön die Veränderungen des Make-ups der Andorianer und wie die Make-up-Artists bei Star Trek versucht haben, bei den Andorianern mit einfachen Mitteln einen herausragenden Look zu kreieren. Für die Sechzigerjahre waren diese Aliens schon sehr ausgefeilt. Aber im Laufe der Zeit wurden die Möglichkeiten, die den Künstlern zur Verfügung standen, immer ausgereifter. Und das mussten sie auch werden, denn die Fernsehtechnologie wurde ja auch immer besser (und wahrscheinlich auch die Budgets). Allein der wandelnde Hautton der Andorianer zeigt, was sich in den letzten sechs Jahrzehnten alles getan hat und wieviel realistischer das Make-up die Blaublüter wurde. Neue Techniken, neue Materialien und neue Ideen revolutionierten das Handwerk – und tun es heute noch.
Was jedoch auffällt: Egal, wie kompliziert das Make-up war – die Schauspieler mussten dafür immer sehr lange in die Maske. Allein den Hautton hinzubekommen ist kompliziert, insbesondere je überzeugender er wirken soll.
Coming up: andorianische Fühler
Im nächsten Blogbeitrag möchte ich mich mit den Fühlern und den weiteren Veränderungen des Make-ups der Andorianer beschäftigen. Auch diese haben sich nicht nur technisch bedingt geändert, sondern spiegeln auch ästhetische Grundsätze wider, die die Make-up-Departments erfüllen wollten. Bleibt also dran, es bleibt spannend.
Möchtet ihr mehr erfahren oder soll ich mir ein Makeup genauer anschauen? Dann schreibt mir eure Ideen und Anregungen einfach in die Kommentare oder privat über mein Kontaktformular.
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